Ein Khan erobert Europa – mit Charme und Charisma
Die deutsche Medienlandschaft wurde anlässlich der Berlinale ein wenig aufgerüttelt durch die Ankunft eines hierzulande in den Medien bis dahin kaum beachteten Mannes, dessen Fangemeinde und Bekanntheitsgrad global gesehen Berufskollegen weit in den Schatten stellt. Der indische Schauspieler und Entertainer ShahRukh Khan sorgte nicht nur für Aufsehen, indem er durch sein Erscheinen den Organisatoren des internationalen Filmfestivals einige unerwartete Erfahrungen bescherte, sondern er versetzte auch stargewohnte Reporter in Erstaunen. Mit jungenhaftem Charme, angenehmem Understatement, Gentleman-Manieren, Humor und einer bemerkenswerten Ausstrahlung war er für zwei Tage als engagierter und intelligenter Gesandter des indischen Kinos, genauer gesagt, des Hindi Films, das landläufig als Bollywood bezeichnet wird, in Berlin zur Vorstellung seines Films Om Shanti Om. Der Bereich um den Potsdamer Platz und Alex wurde für die Dauer seines Besuches zum friedlich-fröhlichen Treffpunkt verschiedener Kulturen, Länder, sozialer Schichten und Altersgruppen, denn Shah Rukh Khan und die Gefühlswelt und Basiswerte, die er vertritt, sind universell.
Diejenigen, die ihn in eine Schublade stecken – sei es zum Beispiel Kitsch oder Glamour – werden seinen Ausspruch "Es gibt nur zwei Khans: Chengis Khan und Shah Rukh Khan" für pure Arroganz halten. Wer sich aber die Mühe macht, das langsame Anwachsen seiner Beliebtheit im europäischen Raum zur Kenntnis zu nehmen, wird erkennen, dass diese selbstbewusste Antwort, die ich einem Interview über indische Schauspielerkollegen entnommen habe, ein Körnchen Wahrheit enthält. Shah Rukh Khan ist seit vier Jahren dabei, mittels seiner Arbeit und seines öffentlichen Auftretens den Einflussbereich des Hindi Kinos auch auf das nicht-englischsprachige Europa auszudehnen.
Am 28. April eroberte er nun einen französischen Teil dieses Kontinents: im Grévin Museum in Paris wurde während einer gelungenen Zeremonie Shah Rukh Khans Wachsfigur enthüllt. Er ist nach Mahatma Gandhi die zweite indische Persönlichkeit, deren Wachsdouble den Kreis der zu besichtigenden illustren Damen und Herren vergrößert. Es war nicht der erste offizielle Besuch des Stars in der französischen Hauptstadt, denn zwei Jahre zuvor hatte er zusammen mit Kollegen bei der Frankreich-Premiere seines Erfolgsfilmes Veer Zaara bereits erfahren können, wie beliebt das Hindi Kino ist und ein wie starker Magnet seine eigene Person inzwischen geworden war. Keiner der Verantwortlichen hatte damals mit einer Menschenmenge gerechnet, die um etliches diejenige übertraf, die dem zeitgleich für eine Filmpremiere in der Stadt weilenden Tom Cruise huldigte; die Tausende von Fans waren ein absolutes Novum für die Pariser Medien und die überraschten Organisatoren.
Eingedenk der Medienberichte über den Event von 2006 hatte sich das am Boulevard Montmartre gelegene Grévin Museum mit öffentlicher Reklame zurückgehalten. Auf der Webseite stand lediglich, dass der Besuch des Wachsfigurenkabinetts am Montagvormittag wegen einer internen Veranstaltung nicht möglich sei. Die Presseverantwortliche des Museums, Mme Véronique Berecz, gab allerdings zu, dass sowohl Telefonzentrale als auch Email-Box mit Anfragen überschwenmmt worden seien. Das Presseaufkommen an diesem Vormittag mag dem von anderen Starbesuchen gleichgekommen sein, aber Mme Berecz erklärte, dass selbst bei Michael Jackson zehn Jahre zuvor nicht so viele Fans anwesend gewesen seien. "Die Anzahl heute war überwältigend, unglaublich."
Das ehrwürdige und sehr ansprechend gestaltete Grévin Museum ist zwar jüngeren Datums als die von Mme Tussaud begonnene Sammlung von Wachsfiguren – es öffnete seine Pforten erstmals 1882 – es hat jedoch einen Charme ganz eigener Art mit wunderbar gestalteten Räumen, deren Beschreibung auf der Webseite des Museums einen ersten Eindruck davon vermittelt, was den Besucher an Bestaunenswertem erwartet. Die Generaldirektorin des Museums, Mme Béatrice de Reynies, spricht in meinem Interview mit ihr zwei Hauptzielsetzungen an: Durch besonders sorgfältige und kunstfertige Arbeit die Ähnlichkeit mit den realen Personen zu vervollkommnen und dem Besucher ein Gefühl des Glücks zu vemitteln. "Wir wollen, dass sich die Menschen bei uns wohl fühlen und mit einem Lächeln aus dem Museum kommen." Nach meiner eigenen Anschauung ist das den Verantwortlichen gelungen. An diesem besonderen Tag konnte Mme de Reynies die zusätzliche Erfahrung machen, dass die Menschen auch mit einem Lächeln vor dem Museum standen. "Es war eine Überraschung für mich, die Zuneigung zu erleben, die in beiden Richtungen stattfand. Shah Rukh Khan ist eine Persönlichkeit, die sehr viel gibt und sehr viel empfängt. Das ist sehr selten."
Der Arbeitsprozess an einer Wachsfigur kann sich durchaus über ein Jahr hinziehen, auch wenn die reine Arbeitszeit 'nur' ca. drei Monate umfasst. Im Allgemeinen sind die Künstler bestrebt, mehr als ein Treffen wahr zu nehmen, wenn es sich um lebende Persönlichkeiten handelt. Das ist allerdings nicht immer möglich. So konnte auch Shah Rukh Khan aus terminlichen Gründen nur einmal besucht werden. Nach Aussage von Stéphane Barret, dem Gestalter der Wachsfigur, habe der Schauspieler während der über vier Stunden dauernden Mess- und Photoarbeiten aber so viel Geduld bewiesen, dass ein zweiter Termin nicht zwingend notwendig war. Zusätzlich seien Videoaufnahmen zu Hilfe genommen worden, die wertvolle Aufschlüsse über Körpersprache und Mimik gegeben hätten. Shah Rukh Khan, seine ihn begleitende Frau Gauri, sein Freund und Regisseur einiger seiner erfolgreichsten Filme Karan Johar und der befreundete Schauspielkollege Ritesh Deshmukh waren offensichtlich einhellig von dem Ergebnis begeistert.
Der Artikel in dieser Fassung ist ein Vorschlag. Da ich ein ausführliches Interview mit Mme de Reynies über das Museum machen konnte, wäre ich durchaus in der Lage, mehr Wissenswertes über das Museum zu schreiben. Ich könnte aber auch mehr auf die Veranstaltung eingehen und sogar ein Stimmungsbild schreiben, das Dekor und Zeremonie miteinander verknüpft. Ich habe auch ein Kurzinterview mit Shah Rukh Khan bezüglich des Museums und der Statue.
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